In seinem Vortrag vor rund 140 SchülerInnen der HAK und HAS Waidhofen/Ybbs beleuchtete Dr. Hans Jörg Bauer das weitverbreitete Phänomen Korruption von mehreren Seiten. Mit seiner reichen nationalen und internationalen wirtschaftspolitischen Erfahrung und als Vorstandsmitglied der NGO Transparency International Austrian Chapter, die sich dem weltweiten Kampf gegen Korruption verschrieben hat, ermunterte er die SchülerInnen gleich zu Beginn, vieles, vieles in Frage zu stellen, vor allem im Nahbereich von Korruption.
In einem kurzen geschichtlichen Rückblick führte der Referent aus, dass sich Bezüge zur Bestechlichkeit schon im Kodex Hammurapi aus dem 18. Jahrhundert vor Christus und in der Bibel finden lassen. Das Phänomen sei also uralt und offensichtlich schon immer ein ernsthaftes Problem gewesen. Korruption wird allgemein als der Missbrauch von anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil beschrieben. Eine gesetzlich exakte Definition von Korruption existiere leider nicht, so der Referent, der zugeben musste, dass die Abgrenzung zwischen legitimem Networking und Lobbying und der kriminellen Korruption in vielen Bereichen nicht leicht zu ziehen sei. Korruption, so Dr. Bauer, gäbe es in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ganz besondere Vorsicht sei aber bei öffentlichen Dienstleistungen und Auftragvergaben beim Staat, den Bundesländern und Gemeinden angebracht. Die allergrößte Korruptionsanfälligkeit liege im Militär- und Rüstungsbereich. Bei diesem Thema erwähnte der Referent auch die österreichischen Rüstungsgeschäfte mit den damals Krieg führenden Staaten Irak und Iran, die Rüstungsgeschäfte eines im Burgendland lebenden Grafen und den ehemaligen griechischen Verteidigungsminister, welcher wegen enormer Bestechungsgelder bei Rüstungsgeschäften ins Gefängnis musste. Ein weiterer hochanfälliger Bereich für Korruption sei der Bereich Gesundheit und Medizin. Pharmakonzerne lassen sich laut Analysen von Transparency International wohlwollende Gutachten zugunsten neu entwickelter Medikamente und deren Promotion viel Geld kosten. Es sei nach den Ausführungen Dr. Bauers auch hochproblematisch, dass viele Medien aufgrund ihrer finanziellen Abhängigkeit von Annoncen bestechlich werden für Parteien und Betriebe.
Laut Weltbankrecherchen, so der Referent, müsse jeder Mensch sieben Prozent seiner gesamten Arbeitsleistung für die überall in der Gesellschaft präsente Korruption aufwenden. Korruption steigert die soziale Ungleichheit, weil sich die ohnehin schon Begüterten durch Bestechung weitere unrechtmäßige Vorteile sichern. Korruption fördert die Politikverdrossenheit und sie ist damit eine direkte Gefahr für die Demokratie. Dr. Bauer verwies - genau am Wahltag in Ägypten - auf die völlig ausgeuferte Korruption des früheren Präsidenten Mubarak, der während seiner dreißigjährigen Amtszeit siebzig Milliarden Dollar außer Landes gebracht hatte. Als Ursachen für die Korruption wurden in diesem Vortrag die Gier angegeben, die offensichtlich größer wird, je mehr jemand hat, das Verschwinden ethisch-moralischer Richtwerte, die extrem materialistische Grundeinstellung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie in vielen Ländern die Armut.
Österreich selbst sei in letzter Zeit im internationalen Korruptionsindex von Platz zwölf auf Platz sechzehn zurückgefallen. Es gelte also, sich in Österreich in punkto Korruptionsvermeidung anzustrengen. Schärfere Gesetze bei der Parteienfinanzierung, höhere Strafen und klare Kontrollmechanismen sowie ein personeller Ausbau der Korruptionsstaatsanwaltschaft seien nach Transparency International wichtige repressive Antikorruptionsstrategien. Österreichs Korruptionsstaatsanwaltschaft muss gegenwärtig mit 17 MitarbeiterInnen 170 große Korruptionsfälle bearbeiten, das sei viel zu ineffektiv, so Dr. Bauer.
Das wichtigste Mittel gegen Korruption sei seiner Überzeugung nach aber die Sensibilisierung der Bevölkerung, damit diese sich mit den Mitteln der Zivilgesellschaft gegen Korruption zur Wehr setze. Weiters gehe es um Erziehung. Menschen sollen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens wieder nach den Richtlinien von Fairness und Gerechtigkeit handeln. Ein Beitrag zur notwendigen Sensibilisierung und Erziehung ist durch diesen Vortrag hoffentlich gelungen. Die Schulgemeinschaft bedankt sich bei Schulsprecherin Angelika Groß und dem Ethik- und Religionslehrer Prof. Dr. Wagner für die Organisation dieses topaktuellen Vortrages.