Im Rahmen des diesjährigen Bibliotheksprojekts an der HAK Waidhofen/Ybbs besuchte die Maturaklasse eine Vorstellung von Shakespeares „Der Sturm“ im Landestheater in St. Pölten.
Das Stück, mit dem sich Shakespeare 1611 vom Theater verabschiedete, zeigt nicht nur verschiedene Herrschaftsformen und -dynamiken, sondern mit der Figur des verbannten Herzogs Prospero auch den Regisseur des Geschehens auf der verlassenen Insel, wo seine Widersacher gestrandet sind: sein Bruder Antonio und der König von Neapel Alonso, die ihn ins Exil getrieben haben.
In der St. Pöltner Inszenierung wird die Zauberkunst seines Dieners, des Luftgeists Ariel, als künstliche Intelligenz interpretiert, mit der er die Pläne Prosperos einerseits zur Vergeltung, andererseits zur Hochzeit seiner Tochter Miranda mit Alonsos Sohn Ferdinand umsetzt, aber auch selbst Machtansprüche stellt. Die Figur des von Prospero unterworfenen „wilden“ Caliban, der vergeblich mit dem Hofnarren und dem Kellermeister des Königs einen Aufstand versucht, wird in den Kontext der Kolonialisierung gestellt. Seine Mutter, die verstorbene Hexe Sycorax, erscheint in Videoprojektionen und zitiert aus Gedichten des karibischen Dichters Kamau Brathwaite.
All diese Referenzen und Fragestellungen lassen nicht nur den „Regisseur“ Prospero ratlos einmal das Stück anhalten, sondern entließen auch das Publikum teilweise etwas verwirrt, aber jedenfalls mit vielschichtigen Anregungen und Eindrücken in die laut Miranda „schöne neue Welt, die solche Bürger hat“.