Mayrhofer:
Die Stadt Waidhofen an der Ybbs ist über die Grenzen hinaus als Schulstadt bekannt. Das kaufmännische Schulwesen unterliegt Ihnen als Direktor der HAK/HAS/TZW (Skihandelsschule). Es ist an Ihrer Schule möglich, über verschiedene Wege zur Reife- und Diplomprüfung zu gelangen. Können Sie diese Möglichkeiten kurz skizzieren, was ist neu?
OStR Hofleitner:
Die Erlangung der Berufsreifeprüfung war schon bisher möglich. Wir haben die Handelsschule weiterentwickelt und damit eine Aufwertung des mittleren kaufmännischen Schulwesens, der Handelsschule Waidhofen an der Ybbs, erreicht. Das Ministerium und der Landesschulrat für NÖ haben diesen Weg zur Erlangung der RDP ermöglicht. Damit ist über die kaufmännische Fachschule direkt die Erlangung einer höheren Bildung möglich. Die Reife- und Diplomprüfung ist ja im Gegensatz zur Berufsreifeprüfung im gesamten EU Raum anerkannt.
Mayrhofer:
Wem sollte der neue Aufbaulehrgang der HAK zugänglich sein?
OStR Hofleitner:
Dieser Aufbaulehrgang soll vor allem unseren Schihandelsschülern in zwei weiteren Jahren den vollwertigen Handelsakademieabschluss eröffnen. Damit sind wir wieder Vorreiter in ganz Österreich im Bereich der sportlichen Schwerpunktschulen. Darüber hinaus wollen wir ein Kompetenzzentrum für Bildungsabschlüsse wie BRP und RDP im gesamten Mostviertel werden. Wir wollen damit auch Absolventinnen und Absolventen in benachbarten Bezirken und Bundesländern ansprechen. Im Kolpinghaus hätten wir auch eine Internatsmöglichkeit anzubieten.
Mayrhofer:
Wie sieht die Vorbereitung zur Vollmatura aus? Gibt es eine Einbindung in den normalen Unterricht oder Module, die die angehenden Maturanten absolvieren müssen?
OStR Hofleitner:
Die Vorbereitung ist in 4 Semester eingeteilt. Es gibt Workshops, in denen der Lehrstoff aufbereitet wird und dann werden die Fächer modular in Externistenprüfungsform abgelegt. Die Stunden sind überwiegend am Vormittag, in den Winter- und Sommermonaten, zwischen den Semestern werden Lernplattformen und e-learning eingesetzt. Wenn der Student alle Prüfungen positiv absolviert hat, dann kann er zur Reife- und Diplomprüfung antreten.
Mayrhofer:
In Ihrer Schule war es bisher auch möglich, die Reife- und Diplomprüfung über den Weg der Berufsreifeprüfung zu erlangen, welche die Studenten danach zum Studium an einer Hochschule berechtigt. Ist diese Form der Reife-und Diplomprüfung nicht ausreichend? Wie wurde die Idee des HAK-Aufbaulehrganges geboren?
OStR Hofleitner:
Die Idee kam von den Eltern. Sie wollen die beste Ausbildung für ihre Kinder und Jugendlichen. Gerade die letzte OECD- Studie stellt dem berufsbildenden kaufmännischen Schulwesen das beste Zeugnis aus. Es ist eine Erfolgsgeschichte, an die wollen wir anknüpfen. Ich finde es toll, dass dem Trend der Bildungsnivellierung hier eine klare Absage erteilt wird. Natürlich kann der „Vollmaturant“ mehr als jener mit BRP. Wer später einmal studiert, oder in den Beruf einsteigt, hat ein umfangreicheres Wissen. Mehr Wissen, bedeuten mehr Chancen am Arbeitsmarkt und im Beruf!
Mayrhofer:
Derzeit ist das Projekt HAK-Aufbaulehrgang bereits im ersten Semester angelaufen. Welchen Zuspruch hat die neue Bildungsalternative gefunden?
OStR Hofleitner:
Der Zuspruch war gleich gegeben. Wir haben ja ohne Werbung begonnen. Wir haben derzeit eine Kleingruppe mit hohem Potential, 7 davon machen die RDP die anderen Studenten die BRP. Derzeit kommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unserem TZW und der HAS Waidhofen/Ybbs. Ich bin mir sicher, dass wir das kommende Jahr Zuspruch aus der Region bekommen. In Amstetten, Ybbs, Steyr usw. gibt es ja große Handelsschulen. Noch einmal: Man kommt also auch über die HAS zur BRP und RDP. Man sollte gleich den Schwung und den Schulrhythmus nutzen. Damit ist der Zugang zur Fachhochschule und Universität gesichert.
Mayrhofer:
Sie waren jahrelang als Bildungsberater in der HAK/HAS/TZW tätig. Bildung ist Ihnen also ein Anliegen, Sie setzen sich für eine umfassende Bildungspolitik ein. Neben dem Aufbaulehrgang zur HAK-Matura starteten Sie in diesem Schuljahr auch mit der Neuen Praxis-HAS! Was ist die Praxis-HAS konkret?
OStR Hofleitner:
Die Praxis - HAS ist konkret die Antwort auf den Wunsch der Wirtschaft mehr Praxis in die Ausbildung zu bringen. Die gesamte Ausbildung während der HAS-Zeit ist mit neuen Lehr- und Lernfomen, auf „learning by doing“ aufgebaut.
In Fächerclustern wird übergreifend unterrichtet und auf den Erwerb von Kompetenzen Wert gelegt. Die Inhalte wurden noch einmal auf die Verwertbarkeit geprüft, bei jedem Lernschritt lernt man für die Praxis und für das Leben und den Beruf. Darüber hinaus werden die Schülerinnen und Schüler auch in Firmen verpflichtende Praktika in Unternehmen der Umgebung absolvieren müssen.
Mayrhofer:
Welche Ausbildungszweige bietet die Waidhofner Handelsschule an?
OStR Hofleitner:
Wir haben derzeit die „HAS Business Classic“, also die klassische berufspraktische Handelsschule. Dann bieten wir die „HAS Business&Sport“ , mit dem Schwerpunkt Fußball in Kooperation mit dem AFW und mit dem Schwerpunkt Schi mit dem TZW an.
Weiters kann man die HAS Business&CARE wählen, die eine Berufsorientierung für den Pflegeberuf beinhaltet und in Kooperation mit der Krankenpflegeschule in Scheibbs die Möglichkeit für die Pflegeberufe eröffnet.
Kaufmännische Grundausbildung, verpflichtende Betriebspraxis und Arbeiten im Lernbüro und individuelle Lernbetreuung sind in allen Zweigen gegeben.
Mit dem schon erwähnten Aufbaulehrgang kann auch vor Ort die BRP und RDP erlangt werden. Ich denke dieses Paket ist ein tolles Bildungsangebot, das sich sehen lassen kann.
Mayrhofer:
Wie sehen Sie die Zukunft der Handelsschule? Entspricht die HAS dem modernen Zeitgeist der Bildung?
OStR Hofleitner:
Über 11.000 Schülerinnen und Schüler besuchen derzeit in Österreich Handelsschulen. Wir geben jungen Menschen die Perspektive sich für die Ausübung von qualifizierten Berufen im Handel, Gewerbe, Industrie, Dienstleistungssektor und in der Verwaltung mit ausgezeichneter Ausbildung vorzubereiten. Darüber hinaus kann man den Weg in die Selbständigkeit wählen und Unternehmen gründen und leiten. Dieser Schultyp ist auch mitverantwortlich für die europaweit niedrige Jugendarbeitslosigkeit in Österreich. In dieser Schule kann man langsamer reifen und seine Persönlichkeit entwickeln. Der neue Lehrplan ist auch der modernen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung angepasst. Die Handelsschule Waidhofen/Ybbs ist damit mit diesen Innovationen wieder Top im Bildungsangebot der Region.
Mayrhofer:
Ich danke für das Interwiew.